von Johanna Schirmer | 31. Jan. 2018

Eine ERP Software Implementierung ist anspruchsvoll und komplex

Das Komplexitätsmanagement braucht ein gutes Projektmanagement. Denn nach wie vor scheitern gemäss einer Studie 50% der ERP-Softwareprojekte. In den wenigstens Fällen erleiden ERP-Software Projekte gänzlich Schiffbruch, jedoch werden sie nicht erfolgreich abgeschlossen, da der Kosten- und Zeitrahmen massiv überschritten wurde oder die vorher definierten Zielvorstellungen nur zum Teil erfüllt werden.

Wie schätzen wir die Situation ein? Wir führen seit 18 Jahren ERP Software Projekte ein und sind stolz darauf, dass wir unsere 200 Kunden auf den definierten «Going Live» Termin und innerhalb des vereinbarten Kostenrahmens umgesetzt haben. Bei 2 Kunden ist es nicht gelungen. Warum? Bei diesen zwei Kunden musste der Live-Termin um 3 Monate verschoben werden; Grund für diese Verschiebung war die Stammdatenpflege bzw. wurde die Überarbeitung der Stammdaten unterschätzt.

Aus unserer Erfahrung ist die Datenübernahme und die damit verbundene Stammdaten etwas vom wichtigsten und sollte darum bereits in einer frühen Projektphase definiert werden. Natürlich scheitert ein Projekt nicht allein an den Stammdaten, sondern sind auch andere wichtige Punkte zu beachten. Wir haben für Sie die aus unserer Sicht 5 wichtigsten Gründe zusammengefasst und geben Ihnen unsere Empfehlung ab, damit Sie diese Ursachen vermieden können. Denn niemand will mit seinem ERP Projekt scheitern, da neben finanziellen Aspekten auch der Imageverlust im Raum steht. Woran scheitern ERP Projekte?

 

1. Unklare Vorgaben "Der Hund liegt im Detail"

Klare Zielvorgaben, Prozessvorstellungen und Anforderungen sind eine wesentliche und zwingende Voraussetzung für das Gelingen eines ERP-Software Projekts. Wird das Zeitfenster zu eng geplant oder die Zielvorgaben unpräzise formuliert, ist der Start des Projektes bereits mühsam. Bei der Formulierung der Ziele ist die Ausgangslage vom Unternehmen ausschlaggebend.

  • In welcher Situation befindet sich Ihr Unternehmen heute?
  • Wohin wollen Sie in den nächsten 3 bis 5 Jahren?

Diese Gedanken (Vision) und die daraus abgeleitete Strategie bilden die Grundlage für die Soll-Prozesse und Soll-Anforderungen. Das bildet die Basis, warum ein ERP-Projekt überhaupt in Angriff genommen wird. Daraus werden die spezifischen Funktionen und Anforderungen abgeleitet, die für Ihr Unternehmen von essentieller Bedeutung sind. Hier sprechen wir nicht von den Standardanforderungen, sondern von jenen Prozessschritten, die eben nicht Standard sind, sondern die sie als Firma ausmachen und diese Punkte müssen sehr genau spezifiziert werden.

Unsere Empfehlung:

Beschreiben Sie auf 2 - 3 Seiten (A4) grob Ihre Kernprozesse und machen Sie sich Gedanken zu den Spezialitäten Ihrer Unternehmung:

  • Welche Punkte macht Ihr Unternehmen aus?
  • Wo heben Sie sich ab und welches sind Ihre Kernkompetenzen?
  • Welche 4 – 5 Punkte sind in Ihrer Unternehmung ganz wichtig?
  • Mit welchen Punkten machen sie einen Unterschied auf dem Markt?
  • Was macht sie erfolgreich?

Es ist sinnvoll diese Punkte genau zu spezifizieren. Setzen Sie sich klare strategische Ziele. Damit beeinflussen Sie Struktur und Richtung von Ihrem ERP Projekt. Beispiel: Wir benötigen heute viele Ressourcen für die Kommunikation zwischen Aussendienst und Innendienst. Ziel der Firma ist, dass der Aussendienst über ein CRM und Servicetool direkt auf die ERP-Lösung zugreifen kann, um Aufträge zu erfassen und Kundenbewegungsdaten abrufen zu können. Weiter soll der Aussendienst in den jeweiligen Aufträgen Notizen hinterlegen können, damit dem Innendienst auf dem digitalen Weg für das Erstellen der Offerte, klare Angaben vorliegen.

Wir empfehlen Ihnen sich für 2 bis 3 Implementierungspartner zu entscheiden. Diesen Firmen schicken Sie die Grobzusammenfassung und laden dazu ein, die Lösungsansätze zu präsentieren. Den Anbieter, bei dem Sie das beste Gefühl haben, erteilen Sie den Auftrag für ein Vorprojekt. Beide Parteien lernen sich so schnell kennen. Der Implementierungspartner kann so gut abschätzen, wie die Ziele ideal mit der ERP Software abgebildet werden und Sie lernen den Partner kennen, wie dieser Lösungsansätze und Varianten erarbeitet. Nach dieser Vorstudie haben Sie auch die Grundlage für ein Kostendach und damit einen definierten Budgetrahmens für den Implementierungsvertrag. Dieses Vorgehen macht Sie erfolgreich und schnell.

ERP Kommunikation

2. Mangelnde und unklare Kommunikation

Auf Seite von Unternehmen und Implementierungspartner geht es ganz stark um Menschen. Viele Projekte laufen aufgrund von zwischenmenschlichen Problemen und fehlender Kommunikation aus dem Ruder. Die Kommunikation in Projekten ist in vielen Fällen sporadisch und fallweise. Statt die Ängste bei den Mitarbeitern abzubauen und die Akzeptanz für Neuerungen zu erhöhen, finden sich Mitarbeiter oft in einem Kommunikationsvakuum. Fehlende Zuständigkeiten und nicht geregelte Entscheidungskompetenz im Projekt verzögern Entscheidungen unnötig. Auch in einem ERP Projekt verderben zu viele Köche den Brei. Im Vorfeld eines ERP Projektes muss klar sein, wer im Unternehmen oder im Projektteam entscheiden darf und wer die Kommunikation intern vorantreibt.

Unsere Empfehlung.

Legen Sie von Beginn an die Verantwortung und die Kompetenzbereiche klar fest. Binden Sie Schlüsselpersonen und allfällige Meinungsbildner möglichst frühzeitig ein. Denn einander widersprechende Kompetenzen behindern den erfolgreichen Abschluss eines ERP-Projektes. Stellen Sie gemeinsam mit dem Implementierungspartner Kommunikationsregeln auf, wie das Team bei Hürden oder Problemen kommuniziert, damit zeitnah Lösungen gefunden werden. Wir empfehlen hierzu monatliche Treffen in Form einer Ausschusssitzung. An dieser Sitzung kommen alle relevanten Punkte zur Diskussion. Sicher ist auch das Kostencontrolling und das Besprechen allfälliger Change Requests (Programmerweiterungen) relevant. Auch ein monatlicher Projektstatusbericht aus erster Hand gibt den Mitarbeitern Sicherheit, wo das Projekt steht.

 

 

3. Unterstützung vom Top Management fehlt

Ein klares Bild der Vision, die Fähigkeit die Vision zu vermitteln, so dass Kunden, Führungskräfte und Mitarbeiter daran glauben, die Vision Vorantreiben bis zur Vollendung – das braucht es nicht nur für die Vision, sondern auch für ein ERP-Projekt. Damit benötigt ein Projektteam ausreichende Unterstützung aus dem Topmanagement verbunden mit einem klaren Verantwortungsbereich, Kompetenzen und dem nötigen Know-how. Hier den richtigen Mix zu finden ist auch eine Aufgabe des Topmanagements. Es klingt logisch, wird aber vielfach unterschätzt. Für ein erfolgreiches Projekt muss der Verwaltungsrat und vor allem die Geschäftsleitung zu 100% hinter dem Projekt stehen, damit erst gar keine Zweifel entstehen.

Unsere Empfehlung

In der Phase 1 empfehlen wir, dass ein ERP Projekt auf Top Management Ebene lanciert wird. Danach sollen das Topmanagement und allenfalls sogar eine Vertretung aus dem Verwaltungsrat an den oben empfohlenen Ausschusssitzungen teilnehmen, damit das obere Kader einer Firma immer direkt und umfangreich informiert ist.

 

 

 

Projektteam Besetzung ERP

4. Falsche Besetzung im Projektteam

Die richtige Besetzung vom Projektteam ist entscheidend. Das Team muss auf der Seite vom Unternehmen, wie auch auf der Seite vom Kunden fachlich und menschlich richtig aufgestellt sein. Die richtige Besetzung vom Projektteam wird oft vernachlässigt und kann Zeitverzögerungen und Budgeterhöhungen mit sich bringen. Denn immerhin ist das Projektteam für die Fortschrittsüberwachung und für das Risikomanagement in Verbindung mit der Qualitätssicherung, der Kosteneinhaltung und der optimalen Ressourcenbereitstellung verantwortlich. Dies verlangt die Präsenz des Projektteams und vor allem das frühzeitige eingreifen.

Neben dem Projektteam sind auch die Ressourcen von enormer Wichtigkeit. Hier spielt vor allem das Fachwissen der Mitarbeiter auf der Seite des Kunden und des Implementierungspartners eine entscheidende Rolle. Die Prozesse und Anforderungen werden nämlich genau so detailliert abgebildet, wie die einzelnen Spezialisten dies auch können und die entsprechende Erfahrung haben. 

Unsere Empfehlung

Einen entscheidenden Beitrag zur Kostenkontrolle bilden institutionalisierte Entscheidungswege und eine straffe Führung durch das Projektteam des Implementierungspartners. Das Projektcontrolling ist bei uns beispielsweise ein wichtiger Punkt für die beidseitige Projektführung und -überwachung. Hier passiert die Kontrolle über den Projektfortschritt, es gibt regelmässige Reports über den Projektstatus und die Projekt Pendenzen können in Echtzeit verfolgt werden. Schauen Sie ihrerseits, dass Sie als interner Projektleiter eine erfahrene Persönlichkeit vorsehen und nehmen Sie für Analyse und Umsetzung der Kernprozesse nur Ihre besten Ressourcen – diese Investition macht sich bezahlt.

5. Fehlende Projektmethodik

Grundsätzlich unterscheiden wir zwei Implementierungsmethoden: Die Wasserfallmethode oder die agile Projektmethodik. Erstere präsentiert sich durch das herkömmliche Vorgehen mit Analyse, Umsetzung, Schulung, Implementierung, Inbetriebnahme. Bei der Zweiten – sprich bei der agilen Projektmethode – sprechen wir in der Implementierung von sogenannten User-Cases. Am Beginn jedes Projektes werden aufgrund der Kernprozesse sämtliche User-Cases schriftlich festgehalten. Danach wird jeder Use Case nach dem folgenden Ablauf abgearbeitet (z.B. Auftragsbearbeitung): Analyse, Konfiguration, Umsetzung, Schulung, Implementierung. Nachdem dieser Case abgeschlossen ist, geht es zum nächsten Use Case z.B. Einkauf. Grundsätzlich können beide Methoden angewendet werden. Wichtig: Es braucht eine Methode, die sich in der Praxis bewährt hat und zu Ihrem Unternehmen passt.

Unsere Empfehlung

Bestehen Sie auf eine bewährte Projektmethodik, die durch den Implementierer mehrfacht erprobt wurde. Kontrollieren Sie vom Beginn des Projekts den Fortschritt und achten Sie darauf, dass Sie die fertiggestellten und konfigurierten Lieferobjekte (z.B. Bereich Einkauf) möglichst zeitnah erhalten. Damit stellen Sie sicher, dass die gesamte Lösung nicht auf einmal geliefert wird, sondern in Teillieferungen. Dies ermöglicht einem Team kurz nach der Analysephase bereits Tests in der neuen ERP Lösung vorzunehmen. Dies hilft, erstens die Arbeitsweise und Qualität des Implementierers zu überwachen und zweitens ist die Analysephase noch in den Köpfen der Mitarbeiter präsent; nach 6 Monaten weiss oft niemand mehr, was besprochen wurde.

Johanna Schirmer
Johanna Schirmer
Marketing & Kommunikation